mehr mehr mehr haben haben haben

Mehr, mehr, mehr. Haben, haben, haben!

Hallo liebe Wolke,
bekommst du auch manchmal nicht genug?
Kinder sind großartig darin. Wenn es nach meinem kleinen Leben ginge, würde sie Schokolade und Eis (im Wechsel) essen – bis sie sich nur noch rollend fortbewegen könnte. Unsere Wohnung hätte sich schon längst in eine Mixtur aus Elsas Eispalast, großflächigen Wasserfarbenkunstwerken an den Wänden und sehr, sehr, sehr viel Spielzeug verwandelt (das eh kein Mensch braucht. Auch kein kleiner Mensch.). „Mehr, mehr, mehr. Haben, haben, haben!“ ist bei (kleinen) Kindern wohl etwas ziemlich Normales. Man kann es ja schließlich mal versuchen, ob die Grenze nicht doch viel weiter hinten liegt, als vermutet.
Und wie ist das bei mir?

Was ich nicht alles will.

Ich gebe zu: Wenn ich könnte, würde ich mir auch lieber zehn Teile für meine Sommergarderobe zulegen als nur eins. Und wenn ich könnte, würde ich mir auch abends gern häufiger die dicke Salamipizza und hinterher noch Chips zu Gemüte führen. Einfach, weil ich es haben (haben, haben) wollen würde. Alles mit Käse Überbackene ist ja sowieso der Himmel auf Erden. Fast. Für mich jedenfalls. Und wenn ich könnte, würde ich auch gern mehr (mehr, mehr, viel mehr) Geld haben wollen und ein cooles Auto – nicht bloß so’n popeligen Dreitürer, bei dem ich mich und meinen Rücken verrenken muss, um das Kind anzuschnallen. Wenn ich könnte, würde ich gern ein Haus mit Garten haben und einen Mann, ganz viel Aufmerksamkeit und Schiffsreisen und bessere Nerven und mehr Geduld und, und, und überhaupt:
Viel mehr, mehr, mehr, haben, haben, haben, von allem. Manchmal.

Das dreiste Eichhörnchen-Gen

Vielleicht liegt ja das „Hals nicht vollkriegen können“ daran, dass man dieses Eichhörnchen-Gen in sich trägt, wobei mein Elternhaus schon sehr darauf geachtet hat, dass aus mir ein bescheidener Mensch wird. Hat geklappt. Bescheidenheit ist aber auch nicht immer das Gelbe vom Ei und auch nicht unbedingt eine Zier; die Bescheidenheit macht (über-)höflich und zurückhaltend – in den Situationen, in denen sich das Eichhörnchen-Gen meldet und sammeln, sammeln, sammeln und haben will.
Ich weiß nicht, woran es liegt (ob an meiner eigenen Weltsicht oder – mal wieder – an der Gesellschaft im allgemeinen), aber es tummeln sich diese Eichhörnchen in geballter, erwachsener, Form, wenn man mal genauer hinschaut. Und es sind nicht diese ganz normalen Sammel-Eichhörnchen, die einfach danach streben, ein bisschen Vorräte anzuhäufen, um sich selbst besser zu fühlen, nein, es sind diese Eichhörnchen, die gierig aus ihrem Kobel schauen und ganz dreist ihr „Haben-Wollen“ vom Baum schreien.

Spaßgesellschaft

War man früher noch mit einem sonntäglichen Spaziergang durch den sommerlichen Wald zufrieden, müssen es heute die tollsten Ausflüge mit Event-Charakter sein. Auch schon für die Kleinsten. Hightech im Kinderzimmer, Highend für die Großen, Highlife überall. Dafür aber dann Lowcarb, um das ganze wenigstens ein bisschen auszubalancieren. Die Grenze, die wir unseren Kindern mit „jetzt ist genug!“ setzen, gilt für uns irgendwie nicht. Wir konsumieren und verschwenden und machen immer schneller „mehr, mehr, mehr“. Klar, die Uhr tickt, irgendwann ist die Zeit abgelaufen und wir versuchen so viel wie möglich mitzunehmen. Ist ja auch nichts verwerfliches, aber: Wann ist es denn mal genug?

Mütter sind quasi so etwas wie die unangefochtenen Titelverteidiger darin: Sie versuchen immer alles perfekt und für alle zufriedenstellend und schnell, schnell, schnell zu meistern – was übrigens nichts mit dem Eichhörnchen-Gen zu tun hat, sondern mit ganz vielen Erwartungen, die man an sich selbst stellt. Und die von den Bäumen schallen.
Deswegen ballert sich Mama voll mit Karriere und Erziehung, mit Haushalt und Sonntags-Events und Terminen, Terminen, Terminen. Mehr ist mehr. Glaubt man jedenfalls.

Slow Down

So eine Erschöpfungsdepression ist eigentlich was Feines, kann ich dir sagen, liebe Wolke. Da schimpft der Körper dann eben „jetzt ist genug!“, weil man ja keinen Erziehungsberechtigten hat, der das für einen erledigt. Da sitzt man dann einfach mal auf dem Sofa oder spaziert eine gemütliche Runde durch den Sonntagswald, statt den nächsten ganztägigen Ausflug zu planen – und dabei schon wieder zu überlegen, was man übermorgen denn so tun könnte, müsste, sollte und haben wollen möchte. Eichhörnchen führen kein Slow Life.

Man muss nicht immer haben, haben, haben. Ich zumindest nicht. Und schon gar nicht muss man immer machen, machen, machen. Mehr, mehr, mehr kann einem gründlich die Stimmung verhageln, wenn man die Grenze nicht mehr sieht, weil’s manchmal echt schwierig ist, sie zu erkennen. Was ich sagen will, ist: Es ist schon okay, manchmal ein Eichhörnchen zu sein, weil man ja auch was erleben will. Sein Leben nämlich. Weil das dazu gehört und jeder seine eigene Vorstellung davon hat, wie viel für einen genug ist – oder eben auch nicht.

Mehr, mehr, mehr. Haben, haben, haben.

Mehr, liebe Wolke, ist jedenfalls nicht immer mehr. Grenzen sind etwas Gutes, das sagen wir unseren Kindern ja auch ständig durch die Blume. Keine Ahnung, warum man sich selbst nicht öfter mal daran hält.

Und heute Abend gönne ich mir vielleicht eine Salamipizza. Weil: Immer nur bescheiden zu sein, ist auch blöd.

Hab ein entspanntes Wochenende, meine Wolke!


 

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