Sport macht glücklich - mich nicht

Sport macht glücklich. Mich nicht.

Hallo liebe Wolke,
wie ist deine beste Zeit im Weitstreckenfliegen?

Ich frage nicht für eine Freundin, sondern für mich. Weil: Sport habe ich nämlich schon immer gehasst. („Tze, tze, tze!“)
Warum?
Zum einen: Gehe ich, beispielsweise, schwimmen, habe ich jedes Mal hinterher eine dicke Erkältung, rote Augen und Pilze an den abgelegensten Winkeln meines Körpers. Zwischen den Zehen, zum Beispiel. Will ich nicht.
Außerdem widerstrebt mir der Gedanke, mir das Schwimmwasser mit dem Pipi anderer Menschen zu teilen und durch gelbe Wölkchen zu kraulen. (Tschuldigung!)
Gymnastik, Freeclimbing, Kajak fahren; ist alles nichts für mich.

Kann ich nicht. Punkt.

Und zum anderen hasse ich Sport, weil ich es einfach nicht kann.
Sport kann ich genau so gut wie ein Schaf fliegen.
Oder ein Wal auf Bäume klettern: Gar nicht.

Ich vermute, ich bin der untalentierteste Mensch auf dieser Welt, wenn es um körperliche Betätigung geht. Das fing in der Grundschule an und wird im Altersheim aufhören.
Nicht zuletzt meine drahtige Sportlehrerin hat immer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn ich japsend überm Barrenholm hing und um Gnade flehte. Wie soll ich denn, bitteschön, irgendeinen artistischen Aufschwung hinbekommen, wenn ich noch nicht mal einen Purzelbaum schaffe, ohne mir den Nackenwirbel auszurenken?
Ich kann es einfach nicht. Punkt.

Winke-Arm, Orangen-Po.

Und jetzt, liebe Wolke, sag mir du bitte nicht auch noch, dass man ab einem gewissen Alter, vor allem ab meinem geradezu biblischen Alter, auf jeden Fall Sport treiben muss, weil sonst der Rücken und der Blutdruck kaputt gehen, und weil sonst ganz schnell der Winke-Oberarm und der Celullite-Popo vorstellig werden.
Bewegung ist schon wichtig, das sehe ich ja ein – und ich bewege mich den ganzen Tag.
Sogenanntes Mama-Workout.
(Von 6 Uhr bis 20 Uhr täglich, sieben Tage die Woche. Ich finde, das reicht an Bewegung. Für mich jedenfalls.)

Talente bitte hier entlang.

Talente lassen sich gern vererben.
Selbstverständlich sage ich meinem kleinen Leben nicht, dass ich Sport hasse. Ich möchte ja immer ein gutes Vorbild sein und sie nicht irgendwie beeinflussen.
Aber offensichtlich lassen sich Talente vererben.
Und deswegen ist mein kleines Leben motorisch ähnlich veranlagt wie ich.
Andere Kinder fuhren mit dreieinhalb mindestens Laufrad (wenn nicht schon Fahrrad) und mein kleines Leben verstand noch nicht mal, wie man richtig lenkt, fiel nach drei Metern vom Sattel (oder tuschierte den nächsten Baum), hatte nach dem fünfzigsten Versuch keine Lust mehr und warf das Laufrad mit hochrotem Kopf in den Sandkasten. So ist es bis heute mit Schwimmen und Radfahren und allem, was ein bisschen motorisches Geschick benötigt, geblieben. (Ist aber nicht krankhaft oder förderungsbedürftig. Liegt nur an den guten Genen, falls jemand fragt.)

Ich kann’s verstehen.

Ich kann es verstehen.
Wie oft muss ich (ich!) mein kleines Leben von irgendwelchen Klettergerüsten retten, weil es sich in 50 Zentimetern Höhe hoffnungslos verstiegen hat und frustriert nach Mama, der Bergrettung, schreit. Die anderen Kinder sitzen dann meist schon ganz oben, auf der Spitze, genießen den Ausblick, und lachen über mein kleines Leben. (Wahrscheinlich auch über die ungelenkigste Mama, die sie je gesehen haben.)
Eines steht fest: Bei den olympischen Spielen werde ich meinem kleinen Leben niemals nie nicht begeistert zujubeln. Aber dafür, ganz sicher, bei irgendetwas anderem.

Begabungen.

So ist das mit den Begabungen, liebe Wolke.
Die einen können das gut, die anderen jenes.
Die einen mögen dies, die anderen was anderes.
Es wäre langweilig, hätten wir alle dieselben Hobbys oder dieselben Talente.

Das müsste man übrigens den Sport- und Mathelehrern dieser Welt unbedingt mal erklären. Das haben die meisten nämlich bis heute noch nicht so richtig verstanden.

Viel Spaß auf deinem Weitstreckenflug, meine Wolke, falls du einen geplant hast!

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