Hallo liebe Wolke,
kannst du gut verlieren?
Ich habe den untrüglichen Eindruck, dass mein kleines Leben neulich mit ihrem vierten Geburtstag in eine völlig neue Ära der kindlichen Entwicklung (und der damit einhergehenden Superkräfte) eingetaucht ist. Erst die Kraftausdrücke – und jetzt die Gesellschaftsspiele. Bis vor kurzem konnte man sie mit keinem noch so tollen Spiel begeistern, noch nicht mal ein müdes Schulterzucken wurde ihr abgerungen. Aber jetzt könnte ich am besten schon morgens um 5 die Knobelbecher holen und den Skattisch aufstellen; jetzt wird gezockt bis zum Umfallen. Denn: Gewinnen will gelernt sein!
Sozialkompetenz
Endlich mal keine Rollenspiele mehr! Wie unfassbar herrlich!
Habe ich mir gedacht. Ja. Das habe ich mir aber auch bloß gedacht.
Und da war sie schon wieder: Die nächste unglaublich große Knobelaufgabe im Würfelspiel des Lebens. Wie bringt man Kindern das denn jetzt schon wieder bei? Das Gewinnen und das Verlieren. Ab und zu wünsche ich mir, den Menschen würden diese Sozialkompetenzen einfach so in ihre genetischen Codes geschrieben. Dann müsste man sich darum nicht auch noch kümmern und ich könnte mir vorstellen, dass sich die allgemeinen Weltprobleme dann ein für alle Male gelöst hätten. Oder?
Ich meine, wenn den Diktatoren dieser Welt einfach einige wichtige sozial-emotional-empathische Eigenschaften angeboren gewesen wären, dann hätten wir auf dieser Erde wahrscheinlich weitaus weniger Stress (gehabt). Ist aber nur eine Vermutung.
Verbocken?
Man kann in dieser Kindererziehung wirklich so sagenhaft viel falsch machen, da beginnt es mich manchmal fast zu fürchten.
Wenn ich das jetzt verbocke, wenn mein kleines Leben das jetzt nicht lernt, wie man zum Beispiel richtig gewinnt und verliert, was wird dann in 20 Jahren aus Deutschland werden? Schließlich gehört sie ja nicht allein zu der Generation, deren Mütter (Väter, Eltern) alles richtig machen möchten – und bloß nichts falsch. Damit man zum Grunderhalt einer einigermaßen stabilen Gesellschaft beigetragen hat. Am Ende.
Puh.
Schmollen
Jedenfalls: Bei (Klein-)Kindern ist es ja bekannt, dass der Spielverlauf von „Lotti Karotti“ oder „Einhorn Glitzerglück“ entweder im höchsten Zustand der Glückseligkeit endet oder eben in einem apokalyptischen Inferno. Sofern die Sozialkompetenz noch nicht so ganz ausgereift ist.
Neulich also, als wir wieder einmal mit den Einhörnern auf Wattewölkchen die pinken Kristalle jagten, zeichnete sich in der ersten Spielrunde deutlich ab: Ich würde gewinnen. Oh. Oh. Bei jedem Würfeln schob sich die Unterlippe meines kleinen Lebens noch etwas mehr hervor bis sie in einem wirklich zaubersüßen Schmollen einfror. Drei Minuten später färbten sich ihre Wangen rot, der Zorn stieg unaufhaltsam bis in die Haarspitzen. Tschuldigung.
Gewinnen lassen?
Was tun? Die Regeln brechen und sie, ganz subtil natürlich, gewinnen lassen?
Nö, dachte ich mir, sie muss das jetzt schließlich mal lernen. Ist wichtig, nicht nur für den zukünftigen Weltfrieden. Und außerdem war es heute erst die erste Runde, sie hatte bei den letzten Malen bestimmt mehr als dreiundzwanzig Mal gewonnen. In Folge.
Also ließ ich den Dingen ihren Lauf und nachdem sich bei mir ein kleiner Berg an Zauberglückskristallen angesammelt hatte, ging mein kleines Leben einigermaßen leer aus. Was folgte war eine filmreife Darbietung von Rumpelstilzchen und meine Wolkenkristalle flogen im hohen Bogen durch das Zimmer.
Verlieren nervt!
Ich weiß, dass Verlieren nervt, frustet und wütend machen kann. Für mich gilt ja für das Leben im Allgemeinen der Leitspruch: „Pech im Spiel, Pech in der Liebe.“ Und so. Vom Verlieren verstehe ich also ein bisschen etwas. Wichtig ist dabei, dass man nicht aufgibt. Dass man lernt, wie man es besser machen kann, um sein Ziel zu erreichen. Und aber auch, dass es ok ist, wenn man mal verliert und dass man nicht alles gleich gut kann. Denn es wird wahrscheinlich immer jemanden geben, der Dinge besser macht als man selbst.
(Das erklär aber mal pädagogisch richtig einem Kleinkind, dessen Lieblingswort gerade „Kacka“ ist und sich mitten in irgendeiner Freudschen Entwicklungsphase befindet, liebe Wolke…!)
Revanche?
Als sich der Sturm gelegt hatte, kam mein kleines Leben wieder zu mir und wir sammelten die Glitzersteine ein. Gemeinsam. Dabei erzählte ich ihr eine kleine Anekdote aus meinem Leben; als ich nämlich ähnlich wütend bei einem Mikado-Battle mit meiner Mutter geworden war (nachdem ich verloren hatte), dass ich sämtliche Mikadostäbchen in die Lieblingstopfpflanze auf dem heimischen Fensterbrett rammte. Weil ich nicht verlieren konnte. Das fand meine Tochter dann wiederum sehr lustig. Ich sagte ihr noch, dass man nicht immer gewinnen kann, dass es nicht schlimm ist, wenn man mal verliert. Aber, dass ich verstehen kann, wenn man sich auch mal darüber ärgert, wenn ein anderer gewinnt. Wir könnten ja einfach eine Revanche spielen, wenn sie noch Lust hätte, schlug ich vor. Und das hatte sie.
Friedlicher…
Mein kleines Leben gewann die Partie (lucky me!) – ganz ohne Schummeln, ganz ohne mein Zutun und der ganze Frust war schnell vergessen.
Wahrscheinlich bis zum nächsten Mal. Aber wer weiß, welche Ära der kindlichen Entwicklung sich danach auftut. Und vielleicht wird sie, zumindest unsere, Welt wieder ein Stückchen friedlicher machen. 😉
Einen ausgeglichenen Abend für dich, meine Wolke!