Wenn du dein Kind nicht hättest dann - Mamaliebe und die Zeit - Elmo - (c) Hallo liebe Wolke / Susanne Bohne

Wenn du dein Kind nicht hättest, dann …

Hallo liebe Wolke,
bereust du etwas? Irgendwas?

Die Tage, die Monate und Jahre rauschen an mir vorbei. Das tun sie immer schneller – und seitdem meine Tochter auf die Welt kam, fühlt es sich so an, als hätte die Zeit den Raketenantrieb gezündet. Das ist normal, habe ich mir sagen lassen und hatte bis vor sechs Jahren selbst nicht daran geglaubt. Aber: Das ist einfach so, vielleicht ist es ein Naturgesetz. Und ich mache mir hin und wieder den Vorwurf, die Zeit, als sie sich noch zügeln ließ, nicht gut genug genutzt zu haben. 

Unabhängigkeit, Verantwortung, Wahnsinn.

Wenn man sich für ein Kind (Kinder) entscheidet, dann ändert sich erstmal alles. Die goldenen Momente der grenzenlosen Unabhängigkeit sind vorbei, man lernt, wieviel die Verantwortung wiegt und wie einen die Erziehung häufig genug in den Wahnsinn treiben kann. 

Dass ich eines Tages, um die sechs langen Ferienwochen zu füllen, Stopptanz vor einer Bühne in einem Einkaufszentrum spiele, auf der ein überdimensionaler, stummer Elmo mit einem Kika-Moderator herumhopst, ist vielleicht nicht jedermanns Traumvorstellung einer persönlichen Weiterentwicklung. Aber für die leuchtend aufgeregten Augen meiner Tochter, die es kaum fassen konnte, dass es „den André“ von der blauen Elefanten-Sendung wirklich und nicht nur im Fernsehen gibt, ist es jeden Stopptanz dieser Welt wert. Ich bereue nichts. Und ein Kind kann alles verändern. 

Ein Kind kann alles verändern.
Nicht nur im Innen, sondern auch im Außen. 

Vielleicht kann man nach der Elternzeit nicht mehr in seinen Job zurück. So wie ich. Vielleicht landet man (nicht nur als Alleinerziehende) im Jobcenter, wenn es ganz schlecht läuft. So wie ich. Damals. 

Vielleicht aber ist ein Kind auch genau dafür verantwortlich, dass man die Pobacken zusammenkneift und sich endlich was anderes überlegt. Weil man schließlich einen Antrieb hat. Ein kleines Leben. Das das Zusammenkneifen und Anstrengen lohnt. 

Mein Verbündeter

Hätte es meine Tochter nicht gegeben, würde ich vermutlich heute noch lustlos in einem Büro sitzen und mich jeden Morgen fragen, was ich da überhaupt mache. Hätte es meine Tochter nicht gegeben, hätte ich nicht so hart an meinem Traum gearbeitet, den ich schon mein ganzes Leben lang mit mir herumtrage. 
Schreiben. 
Nichts anderes kann ich, nichts anderes möchte ich tun. Immer schon. 
Das Schreiben ist mein Verbündeter. 
Wenn ich sonst schon keinen habe.
 
Außer mich selbst. 

Unglücksvogel

Ganz, ganz viel hat meine Tochter damit zu tun, dass es Wilma Wochenwurm und meine Kinderbücher gibt. Und dann kommt im Dezember mein Rowohlt Taschenbuch
Nie wäre das passiert, wenn es dich nicht gegeben hätte, meine liebe Wolke. 
Und dass ausgerechnet ich, wo ich doch als eine Art Unglücksvogel geboren wurde und viele Nackenschläge einstecken musste – und muss – das erleben darf, ist ein großes Wunder. 

Wenn es dein Kind nicht gäbe, dann…

Nun gibt es Menschen, weil sie vielleicht nicht wissen können, dass ein Kind nicht nur alles verändert, sondern auch die bunteste Liebe mitbringt, die sagen hin und wieder blöde Dinge. 

Die sagen, dass wenn man sein Kind nicht hätte, man auch nicht ständig so müde wäre.
Die rechnen einem vor, wieviel Geld man gespart hätte, wenn es dieses Kind nicht gäbe. 
Die sagen, dass man seine Freiheit verloren hat. 

Wenn es deine Tochter nicht gäbe, würdest du doch bestimmt auch was anderes machen wollen, oder?“, hörte ich neulich. Und diese Frage fühlt sich bis heute wie ein Schleudertrauma an. 

Mag sein…

Mag sein, dass nicht jeder verstehen kann, wie es ist, ein Kind zu haben. Für das man alles geben würde. Am meisten sein Herz. 
Mag sein, dass nicht jeder auf Bücher steht und mein Schreiben dabei belächelt. 
Mag sein, dass ich mein Licht immer schon unter den Scheffel gestellt habe, was auch nicht immer von Vorteil ist. 
Mein kleiner Stolz über die Dinge, die ich mir hart erstritten habe, wurde angepiekst. Fast lautlos entweicht aus ihm die Luft. 
Fragen können blöde Dinge anrichten. 

Ich bereue NICHTS.

Liebe Wolke, ich bereue nichts. 

Egal, wieviel Stopptänze ich noch tanzen muss.
Egal, wieviele Fragen ich nicht an mir abprallen lassen kann.
Egal, wie sehr die Zeit noch beschleunigen will. 

Ich bereue nicht, dass ein Kind alles verändern kann. 

Wenn ich mein kleines Leben nicht hätte, wäre ich nicht zu dem geworden, was ich bin. Ich hätte keine Ahnung gehabt, wie groß die Liebe ist. Und ich hätte nie gewusst, wie sehr man für seine Träume kämpfen kann. 

Alles Liebe, meine Wolke!


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