Die Angst. Vor dem Krieg. Gedanken einer Mama. Von Susanne Bohne

Die Angst. Vor dem Krieg.

Die Angst. Vor dem Krieg.

von Susanne Bohne

Hallo liebe Wolke,
hast du jemals zuvor diese andere, diese schwarze Wolke der Bedrohung dort hinten am Horizont gesehen?
Seit 20 Jahren lebe ich mit Angst. Mit so einer diffusen, dummen Angst, die mir ständig ins Ohr flüstert, dass ich mich, Bitteschön, zu fürchten habe. Das ist mittlerweile wie ein Tinnitus, mal lauter, mal leiser, immer da und ich werde das Wispern im Ohr, im Kopf, im Herz auch nicht los. Was ok ist. Ich habe mich daran gewöhnt.

Man sagt, man merkt mir die Angst nicht an. Jemand, der mich trifft und mich nicht kennt, der weiß nicht, dass mir schwindelig ist, wenn ich unter Leuten stehe, dass ich schweißnasse Hände habe, wenn ich beim Frisör sitze, dass ich für manche Dinge gern eine Begleitung mitnehme. Dann wird die Angst nämlich kleiner. Womöglich ist sie ja selbst sehr schreckhaft. Wer weiß. Ich habe bisher nicht herausgefunden, was diese dumme Angst überhaupt von mir will.

Bedrohung

Was ich allerdings weiß: Die Angst, die sich dort als schwarze Wolke am östlichen Himmel auftürmt, größer als Gewitterwolken, größer als alles, was ich jemals gesehen habe; diese Angst ist Wirklichkeit. Sie ist nicht dumm und sie ist nicht diffus. Sie ist real. Sie ist nicht nur Angst, sondern alarmierende Bedrohung von oben bis unten. Und ich Dummerchen dachte bisher, Corona wäre bereits eine ziemlich große, ziemlich üble Bedrohung gewesen.

Die Pandemie, von der ich nicht geahnt hätte, dass sie jemals über die Erde ziehen würde wie ein Heuschreckenschwarm, hat alles durcheinandergebracht, was wir kannten, und mir persönlich Sorgenfalten auf die Stirn gezogen, die tief wie der Marianengraben sind.

Und doch hatte (und habe) ich es wenigstens ein bisschen in der Hand, uns zu schützen.

Impfen, Maske tragen, Abstand halten, Regeln beachten. Und so weiter. Kennt man ja alles mittlerweile. Ich habe es wenigstens ein bisschen in der Hand, das Virus von meiner Tochter fernzuhalten. Wenigstens ein bisschen. Aber gegen die tiefschwarze, gefahrvolle Wolke, gegen die bin ich machtlos.

Die Angst. Vor dem Krieg.

Ich bin machtlos. Ich stehe dort am Feldrand, dort wo man am weitesten bis zum Horizont schauen kann, und sehe die nachtschwarze Gefahr, wie sie sich auftürmt, wie der Orkan tobt, wie die Blitze zucken und hell gleißende Feuer aus den Rändern der Wolke züngeln. Nein, diesmal werde ich nichts mehr in der Hand haben, außer mein Leben, mit dem ich mein kleines, großes Leben beschützen werde. Für immer. Und immer.

Hallo liebe Wolke_Susanne Bohne_Mamablog_Autorin

Ob ich das könnte?

Die Mütter dort im Fernsehen, die ihre Kinder auf dem Arm tragen… die ihre Kinder auf dem Arm durch den Krieg tragen – eine von ihnen könnte ich sein.
Wäre ich so stark wie sie?
Wäre ich so mutig wie sie?
Könnte ich loslaufen, mit gar nichts mehr in den Taschen, um unser Leben laufen, weg von der nachtschwarzen Wolke? Nur weg?
Ob ich das schaffen würde und reichten meine Kräfte dafür überhaupt, die ja jetzt schon immer so klein sind, dass ich sie gar nicht mehr spüre? Meine Tochter beschützen? Ob ich das könnte?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Ich will auch nicht wissen, ob ich es könnte, denn ich will, dass sich die finstere Wolke auflöst und hinter ihr die Sonne wieder zum Vorschein kommt.

Verdammt noch mal, wir sind doch alle Menschen!
Egal, wo wir wohnen. Egal, woher wir kommen.

Wir waren alle Kinder

Wir waren alle irgendwann einmal Kinder.
Kinder, die sich über Gänseblümchen freuten.
Kinder, die in Matsch gesprungen sind.
Kinder, die kichernd Teig genascht haben und Bilder malten mit Sonnen, die lachten. Kinder, die ihre Mütter umarmten und sich an ihre Väter kuschelten. Kinder, die unschuldig waren.
WO sind diese Kinder hin?
Wie kann man das alles vergessen haben, wenn man erwachsen ist? Und Menschen, ganzen Ländern, so großes, unfassbares Leid antun?

Wie kann man es vergessen?

Ja, vielleicht vergessen manche Menschen wie es als Kind gewesen ist, von Herzen lieben zu können, und verkümmern im Innen. Verkümmern und verdorren. Und haben es dann eines Tages endgültig vergessen. Mag sein.

Wie?

Aber wie werde ich meine Tochter beschützen können, wenn die Wolke auf uns zu rast?

Ich habe immer, seitdem ich denken kann, versucht Kraft zu schenken, Mut zu machen. Meiner Tochter, anderen, mir selbst. Und so wie ich es mit der dummen, kleinen Angst kann, die mich schon so lange begleitet, so kann ich es auch jetzt: mich tarnen. Dass meine Tochter meine große Angst nicht sieht. Denn ich bin doch ihre große Mama. Die, die immer noch alles weiß. Und die, die noch immer alles kann. Die, die sie beschützen wird und die, die einen Plan hat.

Dafür sind wir da. Als Eltern. Als Mütter und Väter. Wir sind dafür da, Mut zu geben. Hoffnung zu schenken. Und tiefschwarze Gefahren wegzukitzeln.

Zu groß

Aber dieses bedrohliche zusammengebraute Unheil ist so groß. Es ist so groß, dass meine Angst genüsslich durchatmet und die nachtschwarze Wolke in sich aufsaugt. Sie lacht mich aus. Ich höre ihr Lachen, wenn ich morgens um fünf aufwache und in die Stille horche, ob die Wolke womöglich schon über unserem Haus steht. Ob Sirenen heulen. Ob Flugzeuge auf dem nahe gelegenen Flughafen landen, die dort nicht hingehören, die keine Passagiere in die Sonne Mallorcas fliegen.
Ob ich meine Tochter an die Hand nehmen muss, um zu flüchten.
Aber wohin? Ich habe keinen Plan. Es tut mir so leid, aber ich habe keinen Plan.

Was ist denn nur passiert? Wie ist das denn alles nur passiert?, frage ich mich.
Mir ist das alles zu viel. Und deswegen schalte ich die Musik ein und tanze und beruhige mich selbst, dass es nicht dazu kommen wird, was ich befürchte. Weil wir doch alle vernünftiger geworden sein müssen, weil die Welt zu viel Elend gesehen hat, dass sie genug davon haben muss. Sie muss die Nase doch voll davon haben. Sie muss einfach.

Sie muss.

Bitte pass ein bisschen auf uns auf, meine liebe Wolke, und verscheuche die nachtschwarze Finsternis. Denn ich habe es nicht mehr in der Hand. Ich habe Angst.

Die Angst. Vor dem Krieg.

Auf bald.


Fritzi Friedenstaube - Frieden Schrift
(c) Susanne Bohne

Text „Die Angst. Vor dem Krieg.“ & Foto: Susanne Bohne
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Die Angst. Vor dem Krieg.rieg.

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